Zwei Vegetarier legen sich erfolgreich mit einem internationalen
Bulettenbrater an
Können Hamburger Krebs erzeugen?
Von JOCHEN WITTMANN (Sheffield)
London
Richter Rodger Beil ist nicht zu
beneiden. Er sitzt dem
längsten, teuersten und einem der bizarrsten
Verleumdungsprozesse vor,
der je vor einen britischen Gerichtshof kam.
So langweilig jedoch hatte sich Richter Beil seinen Zwei-Jahresjob
nicht vorgestellt. Beweisanträge über Beweisanträge
über so aufregende
Dinge wie den Fettgehalt von Rindfleischbuletten oder
Hygienestandards in
Großküchen verlangen seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
Immerhin wird er nach
Ablauf seines Martyriums ein Fachmann in Sachen Hamburger sein.
McDonald's, der Welt größte Imbißkette,
verklagt vor dem Londoner
High Court zwei arbeitslose Vegetarier. Sie sollen ein Flugblatt
verbreitet
haben, in dem McDonald's als "McMurder, McCancer,
McDollars" bezeichnet
wird. Es wirft dem Unternehmen unter anderem vor, daß
Hamburger Krebs erzeugen und daß für ihre Produktion der
Regenwald
abgeholzt und die Bevölkerung in den Ländern der Dritten
Welt ausgebeutet
wird. Diese Verleumdung bekämpft der Konzern schon seit Jahren
und möchte
jetzt vom Gericht bestätigt bekommen, daß es sich bei dem
Pamphlet um "ein
einziges Lügenpaket" handelt.
Leben von der Sozialhilfe
Der Prozeß, der vor einem Jahr begann, sollte
ursprünglich in drei
Monaten abgeschlossen sein. Immerhin hatte der Imbißriese den
besten
Verleumdungsanwalt Londons aufgeboten, während sich die
Beklagten David
Morris und Helen Steel selbst verteidigen mußten. Sie
gehören einer
ökologisch-anarchistischen Splittergruppe an, leben von der
Sozialhilfe und
streiten ab, daß sie für Inhalt und Verbreitung des
Flugblatts
verantwortlich seien. Aber sie betonen, daß die darin
enthaltenen Beschuldigungen der Wahrheit entsprachen und versuchen,
dies vor Gericht zu beweisen.
Lecker oder gefährlich? Das ist hier die Frage.
Das tun sie derart effizient, daß
der Fall als längster Verleumdungsprozeß in die britische
Justizgeschichte
eingehen wird. Mehr als 50 Zeugen sind schon erschienen, weitere 130
werden
folgen. Punkt für Punkt des Flugblattes wird ausführlich
abgehandelt. Vor
Mitte nächsten Jahres ist kein Urteil zu erwarten, die
Prozeßkosten gehen
in die Millionen.
Ein schwerer PR-Flop
Der Verlierer steht jetzt schon fest: McDonald's wird nicht
nur
alle Kosten tragen müssen, weil die Angeklagten kein Geld
haben. Darüber
hinaus hat sich der Fall zu einem schweren PR-Flop für Big Mac
ausgewachsen. Ob zutreffend oder nicht - viele Anschuldigungen des
Flugblatts wurden erst durch den Prozeß einer breiten
Öffentlichkeit
bekannt. Erschwerend kommt hinzu, daß einige Vorwürfe vor
Gericht bestätigt
wurden. McDonald's mußte zugeben, daß man
südamerikanisches Rindfleisch
in England verarbeitet hat. Ein Gesundheitsexperte des Konzerns
bestätigte
zudem die Flugblatt-Behauptung, daß "ein hoher
Nahrungsmittelanteil an
Fett, Zucker, Tierprodukten und Salz" in direktem Zusammenhang
mit
"Brustkrebs und Darm- und Herzkrankheiten" steht.
McDonald's versucht jetzt verzweifelt, einen Ausweg aus dem
Schlamassel zu finden. Der Kampf des Öko-Davids gegen den
Fast-Food-Goliath hat zu internationalen Solidaritätsaktionen
geführt.
verschlechtert das Image der Firma und senkt den Umsatz. In
Geheimgesprächen hat man Kontakt mit Morris und Steel
aufgenommen, um ein
elegantes Prozeßende zu ermöglichen. Doch die Beklagten
wissen, daß sie nicht verlieren können.
Daher stellen jetzt sie dem Fast-Food-Multi ihre
Bedingungen:
McDonald's soll sich bei all jenen Flugblattschreibern
entschuldigen, die
man bisher mit Verleumdungsklagen bedroht habe und zudem
Schadensersatz
zugunsten einer Wohlfahrtsorganisation zahlen.